Die andere Seite des Protests

Nikola Dronjak organisierte die Studentenproteste vergangenen Jahres in Bosnien und Herzegovina (Republika Srpska) mit. Inzwischen ist er eine bekannte Person – und seine Mitstreiter_innen weitestgehend politisch neutralisiert. Eine Geschichte von der Gratwanderung zwischen politisch-institutionellem Erfolg und Protest.

Gedämpftes Licht empfängt uns, als wir die Hotelbar betreten. Das Hotel Bosna an einem belebten Platz im Herzen Banja Lukas, nicht weit von diversen Gebäuden der Regierung der Republika Srpska – einen passenderen und zugleich unpassenderen Ort hätte es nicht geben können. Lange dunkle Holztafeln kleiden Decke und Wände, schwere dreckgelbe Vorhänge hindern den sonnigen Tag den Raum zu betreten. Das Klientel tut wichtig, die Kellner_innen sind schick – eine ernste Atmosphäre. So wie es sich eben gehört für einen zukünftigen Politiker.

Nikola redet bestimmt, er macht kaum Witze, wählt die Worte mit Bedacht. Er spricht kein Englisch, es muss übersetzt werden. Die richtige Mischung aus Ernst, Wissen und Sympathie – sein Verhalten erinnert oft an die Taktik erfahrener Politiker.

Im Juni 2013 organisierte er mit anderen Student_innen Proteste in Banja Luka, da die Wohnsituation und die Unzufriedenheit junger Menschen für viele unerträglich wurde. Auch Rentner_innen, Menschen ohne Erwerbsarbeit schlossen sich an, um gegen ihre hoffnungslose Situation zu demonstrieren. Es war der größte Protest seit Ende des Krieges.

Er bestellt einen Kurzen – mit Milch und lächelt uns manchmal unsicher an. Die Sprachbarriere hindert am echten Austausch, er hat keine Kontrolle über das was bei uns ankommt. Er erzählt von seinem Medizinstudium, von seiner Frau, seinem Kind. Smalltalk für den Anfang.

Als Sohn eines im Krieg gefallenen serbischen Soldaten genießt er in der Gesellschaft eine angesehene Position, doch politische Arbeit , die sich nicht nahtlos in vorhandene Strukturen und Narrative einfügt, ist auch risikoreich. Er erzählt, wie viele seiner Mitstreiter_innen und Organisator_innen ‘politisch neutralisiert’ wurden, wie er es nennt. Sie waren stärker in der Organisation der Proteste involviert als er. Viele von ihnen leben heute im Ausland. Von den 10 Menschen, die hauptverantwortlich organisierten, gibt es heute nur noch ihn. Ob er also seine jetzige Position einer guten Portion Opportunismus verdankt? Stolz erzählt er, wie wichtig ihm der Kampf gegen Korruption ist und, dass er zu Beginn der Proteste eine gehörige Summe Geld angeboten bekam, um ihn vom Organisieren des Protests abzuhalten. Er lehnte dieses Geld ab. Mehrmals wurde er verhaftet.

Korruption gehört zum Geschäft dazu. Und ist tief in der Gesellschaft verankert: Vom Arztbesuch bis zu den riesigen Unternehmen, das erzählen so viele, die wir treffen. Nikola erzählt von den Diplomaten, die wegen aufgedeckter Korruptionsfälle fliehen mussten, oder ehemaligen Ministern, die zurücktreten mussten und heute auf einem anderen einflussreichen Posten sitzen. Viel Geschacher spiele sich im nächsten Umfeld des Präsidenten ab, deshalb hätten so viele Menschen kein Vertrauen mehr in die Politik. Das will er ändern.

Und ist damit einigermaßen erfolgreich: Durch den Beitritt zu einer Partei und seinem geschickten Agieren während der Studentenproteste hat er relative Bekanntheit erlangt. Sein bübisches Grinsen zeigt, wie stolz er auf diese ist.

Seine politische Analyse verspricht auch Erfolg: scharf kritisiert er die Korruption und stellt sich damit hinter das, was die meisten Menschen glauben und fordern. Zu wenig bis gar nicht werden die geltenden Gesetze beachtet, sowohl von Politik als auch von der Bevölkerung. Das hält er für falsch, denn die Gesetze seien gut. Es wäre alles da, um einen funktionierenden Staat und ein prosperierendes Land zu sein. Die religiöse und ethnische Aufteilung sieht er nicht als Problem, vielleicht auch, weil gerade die religiösen Gruppen stark profitieren von der derzeitigen Situation. Es seien die Politiker, die zu lange im Amt bleiben und korrupt sind, die den Stillstand produzieren.

Er geht davon aus, dass es erneute Proteste geben wird, aber dass diese unorganisiert und spontan sein werden. Die jungen Menschen seien zwar sehr lethargisch, und viele wanderten aus, aber die Verzweiflung greife ebenso um sich. Bis dahin bastelt er weiter eifrig an seiner Karriere.

Zum Ende des Gesprächs schreibt er unsere Emailadressen auf, gutes Networking hat er verstanden.

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Larissa Bochmann

Fragment – Azra, activist

 

Azra Džafić is part of the “Revolt Youth Movement” that was founded in 2005 by students in Tuzla. The organization seeks to involve young people in political activism and to promote interest in political, societal, cultural, ecological and economical topics.

Interview: Alice Trinkle

Cut: Leonard Barlag

Wo wir die Relevanz des Themas finden

Nicht weit weg von Sarajevo, der Linienbus nach Trebinje ist erst eine Stunde lang zwischen schneebedeckten Berggipfeln hindurchgekurvt. Wieder einmal halten wir in einer Kurve, weil eine Person am Strassenrand steht, um mitgenommen zu werden. Eine aeltere Frau (mit tiefen Falten im Gesicht, eingewickelt in ein dickes, blaues Kopftuch) wartet mit einem jungen Maedchen.

Das Maedchen steigt ein, in einer Hand eine grosse Plasticktuete voller Kleidung. “Wohin soll es gehen?”, fragt der Busfahrer und die Oma antwortet: “Nach Trebinje. Ihre Mutter holt sie dort ab. Mach es gut, Liebes.” Sie will sich umdrehen – “und wer zahlt das Ticket?”, fragt der Busfahrer. “Ihre Mutter arbeitet nicht, wir arbeiten nicht…”, gibt die Oma zur Antwort. Der Busfahrer bietet ein ‘halbes Ticket’ an. “Das koennen wir nicht zahlen”, spricht die augebleichte Jacke der Oma. Und das spricht das Haus am Berg, das von aussen um eine Renovierung bittet, um sich wieder aufrecht hinstellen zu koennen. Es muss wohl eines der Hauser sein, die von Elektrizitatskabeln und Wasseranschlussen nicht erreicht wurden – so hat es uns der Mitarbeiter eines NGOs erzaehlt.

Wir fahren weiter. Mit dem Maedchen. Und der Relevanz unseres Themas: Als wir ueber Arbeitslosigkeit und Armut in Bosnien sprachen, haben wir solche Bilder wahrscheinlich nicht vor Augen gehabt. Hier aber zeigt sich, wie prekaer die Situation im Land sein kann und wie wichtig und notwendig Proteste und Aktivismus in Bosnien daher sind.

Was ist mit Menschen, deren Eltern oder Umfeld ihnen nicht gezeigt hat, wie wichtig politisches Engagement ist? Was passiert mit Menschen, die nicht daran glauben, mit Protesten etwas bewegen zu koennen – in einem Land, in dem man Politiker meisst nur mit Korruption verbindet? Was ist mit Menschen, die kein Geld haben, um zu Protesten zu fahren, die nicht in Staedten wohnen, oder bei denen auf dem Dorf nur sehr selten Busse vorbei fahren?

Auf einer Parkbank in Banja Luka, der zweitgroessten Stadt, in der LGBTIQ sich nicht oeffentlich treffen koennen. Meine beste bosnische Freundin hatte ich nicht vor Augen, als ich mich in Sarajevo mit Frauenrechts- und LGBTIQ-Aktivist*innen traf. Sie ist wie gelaehmt von der Situation, traut sich nicht, ihren Freunden zu erzaehlen, dass sie auf Frauen steht und leidet darunter, das sie (mit Kurzhaarschnitt und Karohemden) auf der Damentoilette oft gefragt wird, ob sie hier richtig sei. Das alles, waehrend Aktivist*innen Morddrohungen erhalten und viele aus der Stadt und aus dem Land emigrieren – was es dem Rest noch schwerer macht, sich zu organisieren.

Wir kritisierten, dass wir uns nur mit privilegierten, aktiven und organisierten Menschen getroffen haben. Aber gerade ihre Organisation ermoeglichte uns, sie zu kontaktieren. Es war schwer zu sehen, was ‘der Rest’ zu dem Thema zu sagen hatte. Und dennoch liess sich vielerorts erkennen, wie Notwendig eine Veraenderung ist, fuer Bosnien, wie hart die Realitaet in dem Land ist – und wie wichtig daher die Proteste und somit unser Thema sind. Immer wieder zeigte sich uns die Relevanz aus verschiedenen Perspektiven, wartete immer wieder erneut hinter Wegbiegungen, die wir uns mal zu Fuss und mal in unserem Bus erschlossen. Nun beobachte ich alleine, durch das Fenster eines Linienbusses, in dem ich aus Bosnien hinaus fahre…

Notizen – Fische

Auf unsere Reise begegneten wir vielen Aktivisten – von ihnen erzählen unsere Videofragmente und Texte…. Ich stolperte aber auch immer wieder über die ein oder andere Anekdote…Insbesondere blieb mir diese hier im Kopf:

Auf dem Weg von Tuzla nach Sarajevo aßen wir in einem Restaurant an der Grenze zur Republika Srpska halt und bestaunten dort ein Outdoor-Aquarium…
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An sich nichts ungewöhnliches, doch hier eine Notiz dazu: Bei den Überschwemmungen in Bosnien im letzten Jahr war auch das Restaurant betroffen. Als sich das Wasser dann wieder zurückzog, war der Boden im und um das Restaurant über und über mit allerlei Fischen bedeckt. Die Restaurantbesitzer machten aus der Not eine Tugend und steckten die Wildfische, die mit der Flut kamen, kurzerhand in das große Aquarium und retteten die Fische so vorm Ersticken. Nun sind diese Fische Symbol des Glückes und werden gehütet und gepflegt!

Engaged Art and Artistic Protest in Bosnia-Herzegovina

Pre-war and war period: Engaged Art.

During the siege in Sarajevo, Sadudin Musabegovic (philosopher) raised the question about the meaning of the tragedy, given the fact that the tragic action had left the field of the imaginary as it had become reality. Unlike in Banja Luka, where hardly any contemporary art was produced during the war, Sarajevo’s rather vibrant scene survived the years from 1991 to 1995. Before the war, in the 1980s, Sarajevo had been one of the hotspots of modern Yugoslavian art. Back then, Jusuf Hadzifejzovic was one of the first Sarajevoan artists to practice so called engaged art, involving with the socio-political context. He is one of the internationally established Bosnian artists who returned to their home country after the war. We met Juzuf at a very crowded exhibition in Zvono gallery, a gallery he had co-founded in the 1980s and which used to be the city’s centre for contemporary art.

zvono Zvono Gallery in Sarajevo

That night, he promised to show us his private collection the next morning. His collection from outside:

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 An (in)different kind of tragedy?

In one of Sarajevo’s smoky pubs I met Aida Salketic, a young woman who used to be a curator for contemporary art but who is now working for an NGO. She is quite critical of the romanticization of the “vibrancy” of the art scene during the war period. In her view, however, today’s situation of contemporary art is not to be glorified either. Against the backdrop of the lack of public cultural institutions, organizations and infrastructure (like galleries, an art market etc.) and the nonexistent cultural policy, which would provide the basis for a dynamic art scene, she describes how young artists just remain invisible. Thus, they often do not see any reason for having exhibitions. Apart from internationally established artists as Juzuf Hadzifejzovic, Gordana Andjelic-Galic (see e.g. her performance “Washing”: https://vimeo.com/38520587), Halil Tikvesa, or Maja Bajevic (who will be at the Venice Bienniale this year), the contemporary art scene in BiH seems to be stagnating. Even Zvono gallery, which used to be a self-organized place run by students, is more pub than gallery nowadays, according to Aida. But is it only the lack of institutional infrastructure that has to be blamed for the problematic situation of contemporary art in BiH? As so often the case, it is more complex than that: As Elio Krivdic, the author of “Krieg. Kunst. Krise”, suggests, another reason is the mentality of the people who are populating urban spaces today. Since only a very small minority of intellectuals stayed in BiH during the war, many people from the countryside, who were lacking understanding of art, moved to the cities. Hence, today the public discourse is dominated by ethnic-nationalist rhetoric and does not give much space for cultural production that is stepping aside from the nationalist mass culture, financed by the government.

Against the backdrop of the wide-spread hostility or indifference towards art, it was a nice surprise to visit the exhibition “SHARE – Too Much History, MORE Future” at the Museum of Contemporary Art RS in Banja Luka. There, artists of the older and the younger generation dealt with questions of remembrance: “Does an excess of history, a past with which we have not yet come to terms, block our view of the present and the future? But is future conceivable or possible without remembrance?”

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austellung-2Art works from the exhibition in Banja Luka

Artistic Protest

Young artists like Jelena Topic, Emir Hodzic, or Nemanja Cadjo place their actions in public space, blurring the lines between art and activism: For forty days Jelena stood on a pedestal on a public square in Prijedor and, mute as a statue, protesting against unemployment.

jelena-topic-protest-protiv-nezaposlenostiPhoto: BetweenUs Blog

Nemanja did a performance, crawling on the Prijedor’s streets. He also addressed the problem of unemployment (watch his performance on: https://vimeo.com/52943216). And Emir is one of the founders of “Stop Genocide Denial” from Prijedor (see: http://stopgenocidedenial.org/), which initiated the White Armband Day and calls for a politics of remembrance.

What would BiH be, if these voices would be taken more seriously? Internationally, nationally, and locally?

Johanna Maj Schmidt

Zähneputzen wie der Prophet

Wer in Sarajevos Altstadt markante Punkte zur Orientierung sucht, kommt nicht an den drei Moscheen vorbei, die nur etwa hundert Meter voneinander entfernt stehend das Stadtbild dominieren. Aber nicht nur die Moscheen zeugen von der osmanischen Vergangenheit Sarajevos, auch die weiteren von Gazi Husrev Bey erbauten Gebäude wie die Madrasa und der Basar sind Teil der wunderbar erhaltenen osmanischen Architektur.

Dass der Islam hier auch zu Europa gehört, scheint beim Anblick der zum Freitagsgebet völlig überfüllten Moscheen, die offensichtlich nicht allen Gläubigen Platz bieten, welche daher zum Teil gezwungen sind auf dem Vorplatz der Moschee zu beten, nicht weiter diskussionswürdig. Die Frage nach der Religiosität der Menschen wird von vielen Touristen zwar gerne an der Anzahl von Frauen mit Kopftuch bemessen, dabei handelt es sich allerdings um ein denkbar schlechtes Mittel und anscheinend ist es in Bosnien kein sonderlich beliebtes Kleidungsstück .

Um zu erfahren welche Rolle der Islam in diesem Land, in der Gesellschaft einnimmt, muss ich mir also etwas anderes einfallen lassen. Beim Schlendern durch die kleinen Gassen um die Moscheen fallen mir die vielen kleinen Buchhandlungen auf, die nebst allerlei Koran und Hadith Übersetzungen auch kleine islamische Glücksbringer, wie einen auf Miniaturgröße geschrumpften Koran anbieten. Allerdings findet man in diesen Läden auch allerhand salafistische Literatur und solch kuriose Dinge wie Miswak Zweige. Salafistische Literatur soll hier als eine den Koran radikal wörtlich auslegende und sich in Empfehlungen für Verhaltens- und Lebensweise, auf die ersten Generationen von Muslimen beziehende Literatur verstanden werden. Diese kann auch zu Gewalt aufrufen, muss dies aber nicht.

Über den Miswak Zweig ist überliefert, dass der Prophet Mohammed diesen zum Zähneputzen benutzt hat und seine Verwendung allen Muslimen empfohlen hat. Da Muslime sich den Propheten zum Vorbild nehmen sollen, scheint eine gewissenhafte Zahnpflege für jeden gläubigen Muslim Pflicht zu sein. Ob dies auch bedeutet dieselbe Zahnbürste wie der Prophet benutzen zu müssen, ist dabei wohl eher Interpretationssache.

Die Verfügbarkeit dieser Artikel scheint darauf hinzudeuten, dass es durchaus Gruppierungen in Sarajevo gibt, die dieser Auslegung des Islams nahestehen. Der anhaltende Strom von jungen Menschen, die sich in Syrien den Balkan-Brigaden der IS anschließen, muss ja irgendwo seinen Ursprung haben. Nachdem wir uns nun eine Woche lang mit jungen Aktivisten und NGO’s in Bosnien getroffen haben und immer wieder von der etwa bei 60% liegenden Jugendarbeitslosigkeit und der Perspektivlosigkeit der jungen Leute gehört haben, scheint Bosnien der ideale Rekrutierungsort für den IS zu sein. Man kann nur hoffen, dass die aus Syrien zurückkehrenden ehemaligen IS Soldaten die bereits schwierige politische Situation in Bosnien nicht noch weiter destabilisieren. Dies sollte aber auf keinen Fall von den lokalen Politikern und internationalen Organisationen ausgenutzt werden, um mit Sicherheitsargumenten die ohnehin schon schwache Demokratie noch weiter zu schwächen.

Anneke Scherz

How normal are activists?

Throughout our travels through BiH, one of the things that kept crossing my mind was the question of how representative of Bosnian-Herzegovinians were all these meetings we had arranged. We met with all kinds of activists and NGOs and international organizations, but the question remains: do they really speak for the people, especially the youth?

I ask myself this question, because I recognize that the people we meet with are inherently those who stand out, those about whom we were able to find contacts even while we were still in Germany those most active in making their opinions noticed. Because I consider myself to be (somewhat of) an activist, not to mention my nearly decade-long attachment to Bosnia-Herzegovina, I still have to recognize that my own views are not necessarily the norm, and certainly aren’t so objective. Those locals we met with who are more engaged in political/civic movements, or are at least aware of the issues, might be more of a fringe element than I would like to hope.

In order to try to gain a hint of insight into this issue, I took it upon myself to talk to a few “normal people” along the way, trying to see how their own perspective on Exit vs. Voice plays out. In many ways the following three share similar visions (both good and bad) for life in BiH, but there are also differences to be found – BTW I’ve tried to make them more anonymous, just in case they don’t want to get in trouble for what I write here, especially if I misinterpreted them in my interview, not to mention the frighteningly-Orwellian aspects of the disturbing new law monitoring RS citizens’ input on social media. Just to be safe, I also decided not to post their photos I took of them, even though they all agreed I could post something on our blog about their comments:

  • D., 24, who moved to Sarajevo 5 years ago from Konjic, knows a few foreign languages, has a job at a hostel and is currently studying psychology…
  • M., 27, born and raised in Tuzla, speaks a few more languages than either of the other two (useful for work at a hotel), has worked abroad (even in Afghanistan of all places!) and is finishing up studies in journalism.
  • A., 29, born in Bosanski Petrovac and moved to Banja Luka in 2005 to study economy, and meanwhile uses knowledge of English working at a hostel.

Regarding Voice, of the three, only D. participated actively in recent protests, being there every day for JMBG demonstrations in 2013, though A. did take part in student protests when at the beginning of studies. As for the 2014 protests across FBiH, there was a difference of opinions, including about the violence and riots that happened in some cities. M. thinks that it wasn’t right for the buildings to be attacked and burned, because in the end it’s not the politicians that will pay for the damage, but rather the innocent citizens. On the other hand, A. feels it’s a less clear issue: while against the violence in general and not thinking it’s so effective what those “hooligans” did, A. emphasized that these buildings were built by their parents’ generation, and therefore belong to all citizens, so it remains within citizens’ rights to do with them what they want. Meanwhile, D. expressed skepticism about the violence, hinting at political parties’ (in)direct involvement in instigating the violence – in several of our official meetings during the week this issue all came up, with one person saying it was an “open secret” which everyone knew exactly which party paid for, supplied or encouraged the hooligans to burn buildings.

Concerning protesting in general, D. felt it was particularly important that prominent people, artists, musicians, etc. stand alongside the people, because their influence on the more passive members of society could play a role in making the protests even more effective. M. who only watched the protests on TV, would participate in them personally only under the “right conditions”. A. says that many people fail to participate for fear of losing their job (either taking time off from work, or pressure to not harm the image of their workplace), whereas activist-types are often either people who don’t have jobs (and therefore have time to do it), people whose job is to protest or the ones who must protest in order to fight for their own rights. Furthermore, frustration with the entrenchment of the status quo remains a significant issue brought up by all three interviewees – that many “normal” people fail to go out onto the streets simply because they feel hopeless for anything to actually change for the better – every time some unrest happened in the past, reforms were promised by the authorities, but little actually came of it, and in many cases the only visible change is that one politician is demoted (not fired!) and another takes their place – as someone at one of our meetings mentioned, there’s no citizen who can out-wait a politician.

When I asked about media influence in terms of demonstrations, D. and A. each said that they don’t trust traditional media at all, complaining of its quality, but above all, decrying its lack of independence. This, of course, is what could be expected, since many of our formal meetings mentioned the same things: that TV/radio stations function as propaganda mouthpieces for government institutions, that newspapers are controlled by the political party affiliations of their management, that all of them focus overwhelmingly on the same topics (e.g. Dayton or corruption of the opposition) and that idealistic journalists seeking to uncover truths are suppressed, reined in or fired. Surprisingly enough, the journalism student M. actually wasn’t as critical of BiH media, feeling that BiH media are more independent than most people give it credit for, and that not enough importance is actually given to the importance of media within the country for uncovering some truths.

As for the other side of the coin, Exit, none of the three was particularly optimistic. A. doesn’t plan to leave the country, but still easily understands why young people do, because it’s simpler and faster – as someone at one of our official meetings mentioned, it says a lot about how badly the situation in BiH is perceived, that going through all the bureaucratic and logistic hassles of moving elsewhere is perceived as the easier choice. D. would like to leave, but really only to experience more of what the outside world has to offer and earn enough money to return to BiH and make it a better place. On the other hand, M. sees no future at all for in BiH, wanting to leave as soon as possible (even to go back to Afghanistan!), but one of the primary reasons is not so much for economic reasons, as social ones, complaining about the difficulty of being properly insured and knowing that local healthcare infrastructure is inadequate.

So, do I have an answer to my question? As Germans would say: “Jein”. Among the three young people I interviewed, M. clearly represents Exit, while the more optimistic D. obviously leans towards Voice. A. seems to fall in between, though I hesitate to say A. is representative of Silence, because I get the feeling that it wouldn’t take much for A. to rise up eventually, because it’s clear which things are wrong and some solutions of how to fix them. Since I suspect that the majority of youth in BiH are closer to A. in their perspectives, I can only hope that, like it already has for D., the spark to drive the rest of BiH to raise their own voices will come soon. Otherwise, I fear all of the potential BiH might lose as youth follow M.’s footsteps across the Sava, Drina, Una or whatever borders are most convenient to escape the economic stagnation and political madness wrecking this wonderful country.

 

George Stiff

Geschichten, die ein Haus erzählen kann

Wir sitzen im Bus auf dem Weg nach Tuzla. Die Landschaft Bosniens zieht an uns vorüber. Noch von Schnee bedeckte Berge, von Müll übersäte Flussufer, halb fertige Häuser. Der Schnee ist leicht zu erklären. Es ist März und wir befinden uns doch recht hoch über dem Meeresspiegel. Auch für den Müll an den Flussufern lässt sich schnell eine Erklärung finden. Die Flut im letzten Jahr hat diesen angeschwemmt. Doch wieso diese vielen halbfertigen Häuser? Zudem sogar die mehr oder weniger fertigen Häuser auch nur halb bewohnt scheinen.

Ich starre eine Weile auf die vorüberziehenden Häuser, die für meinen Geschmack sehr bombastisch anmuten. Ich habe schon gehört, dass Baumaterial in Bosnien sehr günstig sein soll, aber trotzdem erscheinen mir diese Bauten für die wenige Anzahl an Menschen, die man hier sieht, doch sehr groß. Ich grübel ein bisschen für mich allein. Viele halb fertige Häuser habe ich auch schon in Griechenland gesehen. Dort wurde mir meist als Grund genannt, dass irgendwann das Geld ausgegangen sei. Trifft das auch in diesem Fall zu? Nun denn, bevor ich mich endlos lange frage, wieso, weshalb, warum, lieber mal ein paar Gedanken teilen. Praktischerweise sitzen Igor und George ganz in der Nähe. Also, was ist da los mit diesen Häusern?

Meine erste Vermutung scheint sich zu bestätigen. Viele Menschen fangen an, ihr Haus zu bauen und bauen zunächst einmal ein Stockwerk. Und das Verputzen der Fassade? Hat noch Zeit. Kann dann mal gemacht werden, wenn das nötige Geld da ist. Es muss eben nicht immer alles auf einmal gemacht werden. Es ist work in progress. Ich will mich schon fast wieder Abwenden, denn mit dieser Erklärung bin ich scheinbar schon zufriedengestellt. Doch George kommt noch mit einer weiteren, ganz anderen Auflösung des Rätsels um die Ecke, die ich nicht erwartet hatte. Er erzählt mir, dass viele Elten ihre Kinder und Kindeskinder mit in den Hausbau einplanen. So wird ein Stockwerk für Tochter x und eines für Sohn y gebaut. Tja, und dann sitzen die Eltern da mit ihren vielen Stokwerken, ihrem Riesenhaus und bewohnen eigentlich nur ein Stockwerk. Und die Kinder? Die sind eben so wie die meisten Kinder auf dieser Welt. Zurück zu Mama und Papa ins Dorf? Keine zehn Pferde können einen dazu bringen.

So stehen diese gigantischen Häuser in der bosnischen Landschaft und erinnern einen jeden daran, dass Eltern meist ganz andere Vorstellungen davon haben, was gut ist für ihre Kinder. Gut zu wissen, dass das auch in Bosnien nicht anders ist als in Deutschland.

Anna Emil