Nikola Dronjak organisierte die Studentenproteste vergangenen Jahres in Bosnien und Herzegovina (Republika Srpska) mit. Inzwischen ist er eine bekannte Person – und seine Mitstreiter_innen weitestgehend politisch neutralisiert. Eine Geschichte von der Gratwanderung zwischen politisch-institutionellem Erfolg und Protest.
Gedämpftes Licht empfängt uns, als wir die Hotelbar betreten. Das Hotel Bosna an einem belebten Platz im Herzen Banja Lukas, nicht weit von diversen Gebäuden der Regierung der Republika Srpska – einen passenderen und zugleich unpassenderen Ort hätte es nicht geben können. Lange dunkle Holztafeln kleiden Decke und Wände, schwere dreckgelbe Vorhänge hindern den sonnigen Tag den Raum zu betreten. Das Klientel tut wichtig, die Kellner_innen sind schick – eine ernste Atmosphäre. So wie es sich eben gehört für einen zukünftigen Politiker.
Nikola redet bestimmt, er macht kaum Witze, wählt die Worte mit Bedacht. Er spricht kein Englisch, es muss übersetzt werden. Die richtige Mischung aus Ernst, Wissen und Sympathie – sein Verhalten erinnert oft an die Taktik erfahrener Politiker.
Im Juni 2013 organisierte er mit anderen Student_innen Proteste in Banja Luka, da die Wohnsituation und die Unzufriedenheit junger Menschen für viele unerträglich wurde. Auch Rentner_innen, Menschen ohne Erwerbsarbeit schlossen sich an, um gegen ihre hoffnungslose Situation zu demonstrieren. Es war der größte Protest seit Ende des Krieges.
Er bestellt einen Kurzen – mit Milch und lächelt uns manchmal unsicher an. Die Sprachbarriere hindert am echten Austausch, er hat keine Kontrolle über das was bei uns ankommt. Er erzählt von seinem Medizinstudium, von seiner Frau, seinem Kind. Smalltalk für den Anfang.
Als Sohn eines im Krieg gefallenen serbischen Soldaten genießt er in der Gesellschaft eine angesehene Position, doch politische Arbeit , die sich nicht nahtlos in vorhandene Strukturen und Narrative einfügt, ist auch risikoreich. Er erzählt, wie viele seiner Mitstreiter_innen und Organisator_innen ‘politisch neutralisiert’ wurden, wie er es nennt. Sie waren stärker in der Organisation der Proteste involviert als er. Viele von ihnen leben heute im Ausland. Von den 10 Menschen, die hauptverantwortlich organisierten, gibt es heute nur noch ihn. Ob er also seine jetzige Position einer guten Portion Opportunismus verdankt? Stolz erzählt er, wie wichtig ihm der Kampf gegen Korruption ist und, dass er zu Beginn der Proteste eine gehörige Summe Geld angeboten bekam, um ihn vom Organisieren des Protests abzuhalten. Er lehnte dieses Geld ab. Mehrmals wurde er verhaftet.
Korruption gehört zum Geschäft dazu. Und ist tief in der Gesellschaft verankert: Vom Arztbesuch bis zu den riesigen Unternehmen, das erzählen so viele, die wir treffen. Nikola erzählt von den Diplomaten, die wegen aufgedeckter Korruptionsfälle fliehen mussten, oder ehemaligen Ministern, die zurücktreten mussten und heute auf einem anderen einflussreichen Posten sitzen. Viel Geschacher spiele sich im nächsten Umfeld des Präsidenten ab, deshalb hätten so viele Menschen kein Vertrauen mehr in die Politik. Das will er ändern.
Und ist damit einigermaßen erfolgreich: Durch den Beitritt zu einer Partei und seinem geschickten Agieren während der Studentenproteste hat er relative Bekanntheit erlangt. Sein bübisches Grinsen zeigt, wie stolz er auf diese ist.
Seine politische Analyse verspricht auch Erfolg: scharf kritisiert er die Korruption und stellt sich damit hinter das, was die meisten Menschen glauben und fordern. Zu wenig bis gar nicht werden die geltenden Gesetze beachtet, sowohl von Politik als auch von der Bevölkerung. Das hält er für falsch, denn die Gesetze seien gut. Es wäre alles da, um einen funktionierenden Staat und ein prosperierendes Land zu sein. Die religiöse und ethnische Aufteilung sieht er nicht als Problem, vielleicht auch, weil gerade die religiösen Gruppen stark profitieren von der derzeitigen Situation. Es seien die Politiker, die zu lange im Amt bleiben und korrupt sind, die den Stillstand produzieren.
Er geht davon aus, dass es erneute Proteste geben wird, aber dass diese unorganisiert und spontan sein werden. Die jungen Menschen seien zwar sehr lethargisch, und viele wanderten aus, aber die Verzweiflung greife ebenso um sich. Bis dahin bastelt er weiter eifrig an seiner Karriere.
Zum Ende des Gesprächs schreibt er unsere Emailadressen auf, gutes Networking hat er verstanden.
______________________
Larissa Bochmann